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29.11.2024Zukunft der Arbeit8 Min. Lesezeit

„Unternehmen messen alles – außer das, was wirklich zählt“

„Zufriedene Mitarbeitende schaffen eine zufriedene Kundschaft und daher einen größeren Profit“, sagt Edgar K. Geffroy. Der Zukunftsstratege ist überzeugt: Was die Mitarbeiterbindung angeht, müssen sich Unternehmen schleunigst wandeln. Wie das gelingen kann? Darüber spricht er im Interview mit Flip.

„Deutschland ist eine Mitarbeiterwüste“, schreiben Sie in Ihrem aktuellen Buch „Wissenskrieger“. Was meinen Sie damit?

Eine unserer zentralen Herausforderungen beginnt mit der Frage: Wie viele Baby-Boomer gehen in Deutschland bis zum Jahr 2035 in Rente? Kaum jemand schätzt diese Zahl richtig ein. Die Antwort lautet: 8 Millionen. Das bedeutet gleichzeitig, dass ein Großteil aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den nächsten Jahren ihr Unternehmen verlassen. Der Kampf um Mitarbeiter:innen wird sich nochmals verschärfen. Und das obwohl wir bereits heute einen Personalmangel haben. Hier tickt eine Zeitbombe.

Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Schon jetzt merken wir beispielsweise in fast jedem Restaurant, dass Arbeitskräfte fehlen. Es wird nicht für alle Unternehmen möglich sein, diesen Verlust zu kompensieren. Und wer es schaffen will, muss sich anders aufstellen. Unternehmen sind gefordert, beim Thema „Mitarbeiter:innen“ neue Wege zu gehen. Jung und alt müssen gemeinsam neue Teamkulturen zu schaffen. Ich nenne es "Age Diverstiy": Die Fähigkeit, gemeinsam Diversity zu leben und alle im Unternehmen auf dem neuen Weg mitzunehmen.

Zufriedene Mitarbeitende schaffen eine zufriedene Kundschaft und daher einen größeren Profit. Die Mitarbeiterzufriedenheit ist der wichtigste Erfolgsfaktor des Unternehmens.

Edgar K. Geffroy

Zukunftsstratege und Bestseller-Autor

Was den Wettbewerb um neue Fachkräfte betrifft, werden Unternehmen aktiver und kreativer. Aber wie viele Unternehmen trauen sich, das Verhältnis zur Belegschaft und ihre Unternehmenskultur neu zu definieren?

Ich glaube, dass die meisten Unternehmen diesen Schuss noch nicht gehört haben. Natürlich ist allen klar: Eine hohe Kundenzufriedenheit erhöht den Profit. Doch wir müssen eine Stufe vorher ansetzen. Zufriedene Mitarbeitende schaffen eine zufriedene Kundschaft und daher einen größeren Profit. Die Mitarbeiterzufriedenheit ist der wichtigste Erfolgsfaktor des Unternehmens. Doch eine Unternehmenskultur lässt sich nicht befehlen; sie muss wachsen und ist abhängig von der Bereitschaft der Führungskräfte und der Mitarbeiter:innen, diese Philosophie mitzutragen.

Was sollten Unternehmen dafür in den Mittelpunkt stellen?

Es geht um den Kern: Wie ist das Mindset des Unternehmens? Wie ist die Beziehung der Mitarbeiter:innen untereinander, aber auch zwischen Führungskräften und Belegschaft? Und: Wie setzen wir das Wissen, das unsere Mitarbeiter:innen haben, gewinnbringend ein? Diesen Faktor nenne ich „Brain Data“. Das wird in Zukunft eine Schlüsselgröße für Erfolg sein.

Was genau steckt dahinter?

Brain Data ist das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter:innen, das sonst nirgends organisiert und systematisiert ist. Wenn er oder sie geht, ist das Wissen weg. Deshalb rate ich Unternehmen: Lassen Sie Ihr Know-how nicht in Rente gehen! Aktivieren Sie es und setzen Sie es zum Vorteil der Kundschaft ein. Nicht nur das Produkt und der Service zählen, sondern auch dieses Insiderwissen. Damit schaffen sich Unternehmen ein Differenzierungsmerkmal und einen Wettbewerbsvorteil.

Wie sieht das konkret aus?

Ein gutes Beispiel ist das Ideenmanagement: Früher hatten nur die anerkannten Superhirne eines Unternehmens das Recht auf eine Meinung. Das Wissen von Millionen von Mitarbeiter:innen, von anonymen Superhirnen, lag brach. Heute geht das Ideenmanagement Hand in Hand mit dem Beschwerdemanagement und nutzt nicht nur der Kundschaft, sondern letztendlich auch der eigenen Bilanz.

"Obwohl Unternehmenskultur nichts kostet, werden alle anderen Wege beschritten, deren Kosten in unzähligen Meetings und von ebenso vielen Gremien abgenickt werden müssen."

Edgar K. Geffroy

Mit der Bilanz sprechen Sie das Ergebnis unter dem Strich an. Was den Weg dorthin betrifft, sind Sie der Meinung „Unternehmen messen alles – außer das, was wirklich zählt.“ Was hat es damit auf sich?

Prozente, Quotienten und stochastische Werte geben uns ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit. Zahlen werden zu heiligen Kontrollinstrumenten. Doch das alles ist nur Illusion. Unternehmenskultur ist das Geheimrezept, das immer funktioniert, aber nur selten Anwendung findet. „Culture Eats Strategy For Breakfast”, wusste Peter F. Drucker bereits vor vielen Jahren.

Und obwohl Unternehmenskultur nichts kostet, werden alle anderen Wege beschritten, deren Kosten in unzähligen Meetings und von ebenso vielen Gremien abgenickt werden müssen. Doch wie will man Unternehmenskultur mit Zahlen messen? Man müsste in jedem Unternehmen ermitteln, wie hoch beispielsweise der Mitarbeiterbeziehungsindex ist. Dann hätten wir eine andere Basis.

Aber das ist ein langer Prozess, eine große Herausforderung. Und man muss sich die Frage stellen: Auf einer Skala von 0 bis 100 – wie weit sind wir eine wissensbasierte Firma? Und wie hoch ist das Brain Capital unserer Mitarbeiter? Das sind Fragen, die in der Regel nicht gestellt werden.

Edgar K. Geffroy: Zukunftsstratege und Keynote-Speaker mit mehr als 4.000 Auftritten

Edgar K. Geffroy ist seit 40 Jahren Strategieberater, Keynote-Speaker mit über 4.000 Auftritten und Bestseller-Autor. Er berät Unternehmen rund um Innovationskraft, Kundenorientierung und Digitalisierung. Mit seinem besonderen Gespür dafür, Trends am Markt frühzeitig zu erkennen und zu nutzen, gilt er als Business-Vordenker und Zukunftsstratege.

Zur Website von Edgar K. Geffroy

Vielleicht auch deswegen sind viele Unternehmen skeptisch – vor allem wenn es um die Beschäftigten an der Kasse oder am Band geht. Wir zum Beispiel hören häufig Zweifel, ob sich operative Beschäftigte überhaupt mit ihrem Wissen und ihren Ideen einbringen wollen. Ist das nicht schon Ausdruck des Problems?

Richtig. Das Mindset entscheidet über die Mitarbeiter- und Team-Kultur. Die Belegschaft ist der wichtigste Aktivposten und muss entsprechend wertgeschätzt werden. Wenn diese Wertschätzung nicht da ist, dann wird Wissen im Kopf gehortet. Das heißt: Wir müssen an der Einstellung zum „Human Capital“ arbeiten und dadurch ein „Brain Capital“ aufbauen. Wissen muss demokratisiert werden.

Mit modernen Kommunikationsinstrumenten geht das ganz einfach. Damit haben alle Zugriff auf die wichtigen Informationen – wann und wo sie wollen. Jede:r lernt dann, dass niemand alleine gewinnt. Denn Wissen ist der einzige Produktivfaktor, der sich durch die Nutzung vermehrt. Ich gebe etwas ein und bekomme es zigfach zurück.

Ganz pragmatisch wird es darum gehen, Mitarbeiter:innen zu motivieren, sich wohl zu fühlen, Spaß zu haben und ihr Wissen zum Vorteil aller einzubringen. Und das geht nur mit einer gelebten Teamkultur, mit der wir eine wissensbasierte Mitarbeiterkultur aufbauen. Das ist nicht so kompliziert, wie es sich anhört. Die Unternehmen, die wir betreuen, machen es jeden Tag.

"In zehn Jahren werden wir gar nicht mehr verstehen, warum wir heute noch so primitiv und ohne Feedback von allen gearbeitet haben."

Edgar K. Geffroy

Wissen ist immer und überall verfügbar: Privat haben wir uns daran dank Google längst gewöhnt. Aber lässt sich das Prinzip so einfach auf Unternehmen übertragen?

In zehn Jahren werden wir gar nicht mehr verstehen, warum wir heute noch so primitiv und ohne Feedback von allen gearbeitet haben. Heute kann sich auch niemand mehr vorstellen, ohne ein Smartphone zu leben. Was ist Digitalisierung in Perfektion? Wenn Sie einen Nutzen stiften können, der vorher nicht möglich war. Flip beispielsweise nutzt diese Chance und gibt sie als Mitarbeiter-App in die Hand aller Beschäftigten. Näher dran geht nicht.

Es gibt so viele Vorteile in der digitalen Welt, die wir endlich innerhalb der Unternehmen ausschöpfen sollten. Die Chance besteht darin, dass jede entscheidende Information zeitgleich mit allen geteilt werden kann und jederzeit abrufbar ist – gerade für diejenigen, die nicht am eigenen PC arbeiten, dafür aber Tag für Tag den Produktionsprozess miterleben oder mit unzähligen Kund:innen sprechen.

Für den Erfolg des Unternehmens und für den Wissensstand der Mitarbeiter:innen ist das ein zentrales Thema. Und für das Unternehmen die innovativste Zukunftsstrategie. Die Kommunikation auf Abruf ist ein Schlüsselelement des Unternehmenserfolgs. Zum ersten Mal können Sie Wissen demokratisieren. Denn jetzt ist es möglich, alle Mitarbeiter:innen zu aktivieren.

Muss nicht erst ein Kulturwandel stattfinden, bevor diese technische Demokratisierung des Wissens gelingt?

Nicht unbedingt. Worauf warten? Es sind eher zwei Prozesse, die parallel stattfinden. Die Rolle von Führungskräften ist dabei entscheidend. Ihre Aufgabe ist es, Mitarbeiter:innen erfolgreicher zu machen. Die Führungskräfte von morgen sind Coaches. Wer das akzeptiert, hat sofort ganz andere Voraussetzungen. Clienting Leadership, das die Mitarbeiter:innen in den Mittelpunkt stellt, wird messbar. Führungskräfte haben über alles hinaus eine konkrete Aufgabe: Das Wissen der Mitarbeiter:innen zu aktivieren. Und das passiert nur, wenn die Mitarbeiter:innen die Wertschätzung erfahren, die jeden Tag neu gelebt werden muss. So erreichen wir beides. Motivierte Mitarbeiter:innen und wertvolles Wissen für den Erfolg des Unternehmens.

Von Big Data zu Brain Data

Wissen ist die entscheidende Ressource, um in Zukunft wettbewerbsfähig und innovativ zu sein – und die Mitarbeiter:innen sind der Schlüssel dazu. Wie eine solche Zukunftsstrategie aussieht und wie Unternehmen das Potenzial ihrer Beschäftigten freisetzen können, zeigt Edgar K. Geffroy in seinem neuen Buch.

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Mitarbeiter:innen erfolgreich zu machen, bedeutet auch, sagten Sie gerade, sie zu motivieren. Wie gelingt das am besten?

Eine Möglichkeit sind bestimmte Schlüsselsätze. Zum Beispiel: „Ich brauche Sie.“ Das mag ein Satz sein, der vielleicht dahingesagt klingen mag, der als Schlüsselsatz aber zu fantastischen Ergebnissen führen kann. Wir alle wissen, dass für jeden Menschen Anerkennung eines der wichtigsten Handlungsmotive ist. In dem Moment, in dem man Beschäftigten das Gefühl vermittelt, dass sie gebraucht werden, können sie über sich hinauswachsen. Sie haben mit einem solchen Satz den Motivationsschlüssel in der Hand. Und es gibt noch drei weitere Schlüsselsätze.

Auch die finden sich in Ihrem Buch. Dort taucht außerdem das Stichwort „Mitarbeiterstrategie“ auf. Was verbirgt sich dahinter?

Eine Mitarbeiterstrategie soll aufzeigen, wie ein Unternehmen innerhalb der nächsten fünf Jahre zum Wunscharbeitgeber wird. Und das geht über das Thema Employer Branding weit hinaus. In den Köpfen mancher Entscheider:innen scheint das noch nicht richtig angekommen zu sein. Für die Champions der Zukunft ist eine solche Mitarbeiterfokussierung aber die Grundlage, um den Kund:innen Innovationskraft zu beweisen. Mit einem Satz gesagt: Die Mitarbeitenden sind die wichtigste Innovationsquelle. Weltweit wurde in einer IBM-Studie mit mehr als 2.300 CEOs bestätigt: Mitarbeiter:innen sind der zentrale Erfolgsfaktor.

Innovation ist nicht nur Chefsache

Wie EUROPART seine Belegschaft zu Innovationstreibern gemacht hat: ein Gespräch mit Kira Kebekus.

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Viele HR-Verantwortliche und interne Kommunikator:innen kennen all diese Entwicklungen und wollen etwas verändern. Doch sie haben eine Führungsetage über sich, die noch anders tickt. Gibt es dann überhaupt eine Chance, das Mindset neu auszurichten?

Wie gesagt: Niemand gewinnt allein. In abgeschlossenen Silos zu denken, funktioniert heute nicht mehr. Die Unternehmenskultur zu verändern, ist eine Herausforderung nicht nur für HR und Kommunikation, sondern für alle Hierarchien und Abteilungen eines Unternehmens. Die Geschäftsleitung wird verstehen, dass es eine einzigartige Chance gibt, Unternehmen neu zu erfinden und gleichzeitig Kund:innen und Mitarbeiter:innen durch Wissen zu verbinden. So entstehen neue Wachstumshorizonte. Und das ist im Kern die zentrale Herausforderung für jeden CEO und jede Geschäftsleitung. Top-Entscheider müssen nur noch "Ja" sagen. Denn das Timing ist ideal.

Was können die Verantwortlichen in einer solchen Situation tun, um diese Veränderung in Gang zu setzen?

Am wichtigsten ist es, direkt loszulegen – gemeinsam haben wir ja konkrete Lösungen. Und wir haben die Beispiele unserer Kunden, die es bereits umsetzen. Silicon-Valley-Firmen wurden mit Plattformstrategien zu Weltmarktführern. In der Knowledge Economy sind jetzt Unternehmen gefordert, die Märkte mit Wissensstrategien zu erobern. Das größte Risiko besteht darin, zu lange zu warten. Es gilt, Kund:innen und Mitarbeiter:innen jetzt mit einer Wissensstrategie neu zu begeistern. Noch kann der First Mover zu einem Türsteher seiner Branche werden. Sprechen Sie uns direkt an. Nehmen Sie Kontakt zu Experten oder Beratern auf, um Unterstützung zu erhalten. Von außen lässt sich oft am schnellsten Bewegung in die Sache bringen.

  • Auf dem Weg in die Mitarbeiterwüste 
    Warum Unternehmen jetzt handeln sollten und was die Baby-Boomer damit zu tun haben

  • Die neue Macht der Mitarbeiter:innen
    Was die stille Revolution von unten für Unternehmen bedeutet

  • Wissen demokratisieren
    Warum Unternehmen alles messen – außer das, was wirklich zählt. Und was wirklich einen Wettbewerbsvorteil bringt

  • Praxis-Einblicke
    Wie erfolgreiche Unternehmen Wissen demokratisieren und Mitarbeiter:innen (ein)binden

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