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08.09.2023HR & New Work4 Min. Lesezeit

7 Fragen an Benedikt Ilg: New Work für Frontline-Mitarbeiter:innen

New Work auf der Fläche? Wie das möglich ist, erklärt Flip-CEO Benedikt Ilg im Gespräch über Herausforderungen und Lösungen für operative Beschäftigte.

Lagerist mit einem Tablet. Er trägt eine Schutzweste.

Wie haben operativ Beschäftigte, die an Ort und Zeit gebunden waren, die Corona-Zeit wahrgenommen?

Die Wahrnehmung während der Corona-Pandemie war weitestgehend zweigeteilt. Zum einen ist operativen Mitarbeiter:innen während der Corona-Zeit viel Wertschätzung entgegengebracht worden. Zum ersten Mal, so schien es, hat ein kollektives Bewusstsein für die Systemrelevanz operativ Beschäftigter eingesetzt. Während viele von uns im sicheren Homeoffice Schutz vor dem Virus suchten, hielten viele operativ Beschäftigte vor Ort Geschäfte, Krankenhäuser oder Produktionshallen weiter am Laufen. In Pflegeheimen, Supermärkten, Logistikzentren und Fabriken arbeiteten die Menschen auf Hochtouren – trotz Lockdown und Ausgangsbeschränkungen. Die Corona-Krise hat zum ersten Mal verdeutlicht, wer unser Land eigentlich am Laufen hält.

Auf der anderen Seite hat Corona jedoch die Kluft zwischen White-Collar und Blue-Collar Mitarbeitenden deutlich sichtbar gemacht. Die Freiheiten von Homeoffice oder Remote Work, die White-Collar Beschäftigte plötzlich genießen konnten, kamen für Blue-Collar-Beschäftigte nicht in Frage. Das hat Spuren hinterlassen.

Wie hat sich das Verhältnis zwischen mobil Arbeitenden und operativen Mitarbeiter:innen seitdem verändert?

Während sich die Arbeitswelt in den unterschiedlichen Verwaltungsebenen großer und kleiner Unternehmen fundamental verändert hat, hat sich an der Arbeitsrealität vieler Blue-Collar Worker wenig bis gar nichts geändert. Debatten um New Work und die Arbeitswelt der Zukunft führen noch immer vor allem Verwaltungsmitarbeiter:innen.

Und schlimmer noch: Viele Digitalisierungslücken wurden durch die Corona-Pandemie erst offenbart. Zum ersten Mal stellten viele Unternehmen fest, dass es unmöglich war, Mitarbeitende in der Operativen mit digitalen Kanälen schnell und einfach über neue Sicherheitsvorkehrungen zu informieren.

Für das Verhältnis zwischen White-und Blue-Collar Workern war diese Entwicklung nicht förderlich. Es entsteht Unmut, wenn auf der einen Seite die schöne neue Arbeitswelt mit allen Annehmlichkeiten und selbstbestimmten Arbeitsmodellen entsteht, für die digitale Schichtplanung in der Produktionshalle aber kein Budget mehr zur Verfügung steht. Oder wenn Mitarbeiter:innen im Schichtbetrieb täglich acht Stunden im Akkord arbeiten, während der Angestelltenbereich darüber philosophiert, wie er seine Arbeit künftig in weniger Stunden schafft.

Wenn New Work Debatten plötzlich nur für einen kleinen Teil der Belegschaft geführt werden und ein großer Teil dabei komplett außen vorgelassen wird, dann hat das auch Auswirkungen auf die Unternehmenskultur.

Benedikt Ilg stands in the Flip office

Benedikt Ilg

CEO von Flip

Wie prägt dieses Verhältnis die Unternehmenskultur?

Operativ Beschäftigte machen weltweit 80 Prozent der arbeitenden Bevölkerung aus. Auch in vielen Unternehmen, etwa im Lebensmittelhandel oder in der Produktion arbeitet ein Großteil der Belegschaft nicht am Computer, sondern auf der Fläche, in den Betriebshallen oder von unterwegs. Wenn New Work Debatten plötzlich nur für einen kleinen Teil der Belegschaft geführt werden und ein großer Teil dabei komplett außen vorgelassen wird, dann hat das auch Auswirkungen auf die Unternehmenskultur.

Und diese Auswirkungen sind klar erkennbar. Bereits während Corona haben viele Blue-Collar Beschäftigte ihre oft schlechter bezahlten Jobs mit wenig Flexibilität und hoher Belastung aufgegeben, um sich nach besseren Alternativen umzuschauen. Entgegen der anfänglichen Annahme sind viele auch nach der Pandemie nicht mehr in ihre operativen Berufe zurückgekehrt. Den Fachkräftemangel erleben wir in diesen Berufen oft schon heute, etwa an Flughäfen, im Handwerk, in der Pflege, oder im Handel.

In Zeiten von massivem Arbeitskräftemangel in Branchen, die auf Fabrikarbeiter:innen, Krankenschwestern, Kassierer:innen oder Restaurantangestellte angewiesen sind, spielt heute fast die Hälfte mit dem Gedanken, zu kündigen. Was jahrelang Wachstum und Wohlstand verschafft hat, wird immer knapper: Der Faktor Mensch. Unternehmen müssen heute umdenken, um Blue-Collar Beschäftigte langfristig zu halten. Sonst droht im schlimmsten Fall die Einstellung des Betriebs.

Was haben Unternehmen für operativ Beschäftigte in der Corona-Zeit getan?

Die Corona-Pandemie hat vielen Unternehmen vor Augen geführt, welche enormen Unterschiede zwischen Blue-und White-Collar Beschäftigten bestehen. Operativ Beschäftigte machen rund 80 Prozent der arbeitenden Bevölkerung aus. Gleichzeitig werden etwa nur 1 Prozent der weltweiten Softwareausgaben in die Entwicklung digitaler Lösungen für genau diese Belegschaftsgruppe investiert. Die Erkenntnis, dass auch Blue-Collar Beschäftigte von digitalen Lösungen, wie digitalen Schichtplänen, digitalen Kommunikations-und Feedback-Kanälen massiv profitieren, kehrt langsam ein. Vor allem auch, weil durch Technologie im Blue-Collar-Bereich große Effizienzpotenziale gehoben werden können.

Wie viel kostet Sie eine abgekoppelte Frontline wirklich?

Eine Mitarbeiter-Plattform wie Flip sorgt für zufriedene Mitarbeiter:innen. Weil sie Prozesse optimiert, Kommunikation vereinfacht und die Belegschaft mit dem Unternehmen verbindet.In anderen Worten: Flip wird Ihnen eine Menge Geld sparen! 

Wie binden Unternehmen die operativ Beschäftigten in New Work ein?

Die Wahrheit ist, dass sich auch heute noch viele Unternehmen schwer damit tun, adäquate New Work Modelle für Blue-Collar Mitarbeiter:innen einzuführen. Die Einführung partizipativer Arbeitsorganisationen und flexibler Arbeitszeitmodelle sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Kultur eines Unternehmens sind kein Spaziergang. Wir haben es hier mit großen Change-Prozessen zu tun, die zunächst auch in den Köpfen vieler White-Collar-Beschäftigte stattfinden müssen.

Einige positive Beispiele gibt es jedoch, die den Weg Richtung New Work für die Fläche ebnen. So experimentiert etwa die Baumarktkette toom mit einer 4-Tage-Woche für operativ Beschäftigte.

Andere Unternehmen experimentieren etwa mit flexiblen Schichtplänen. Bei vielen Unternehmen lässt sich durch Analysen nachweisen, dass durch starre Schichtpläne Leerzeiten von bis zu zwei bis drei Stunden pro Mitarbeiter oder Mitarbeiterin und Woche entstehen. Reduzierte Wochenarbeitszeiten und das Angebot von flexiblen Arbeitszeitmodellen können klar für mehr Freiraum und Entlastung sorgen.

Benedikt Ilg stands in the Flip office

Die Wahrheit ist, dass sich auch heute noch viele Unternehmen schwer damit tun, adäquate New Work Modelle für Blue-Collar Mitarbeitende einzuführen.

Benedikt Ilg

CEO Flip

Was tun sie, um sie digital einzubinden?

Die Einführung von Mitarbeiter-Apps und Plattformen spielt eine große Rolle bei der digitalen Vernetzung von Mitarbeiter:innen in operativen Berufen. Durch die Mitarbeiter-App von Flip gelingt es, operativ Beschäftigte mit den eigenen Organisationen zu verbinden. Dadurch entsteht zum ersten Mal ein Kanal, auf dem sich operativ Beschäftigte digital austauschen können, aber auch Feedback zurück an die eigene Organisation geben können. Dies führt bei vielen Mitarbeiter:innen zu einem Gefühl der Wertschätzung und gestiegenen Mitarbeiteridentifikation. Zum anderen ermöglichen Mitarbeiter-Apps die digitale Planung der eigenen Arbeit. Über digitale Schichtpläne, Urlaubs-und Krankheitsmanagement aber auch ein digitales Aufgabenmanagement können Frontline-Worker zum ersten Mal ihren Arbeitsalltag selbst planen und gestalten. Auch das führt zu höherer Motivation und sinkenden Krankheitsquoten.

Operativ Beschäftigte digital erreichen

Wir erklären, wie Sie Ihre Frontline-Mitarbeiter:innen digital erreichen. Darum sollten Sie unseren Praxis-Guide lesen: 💡 Tipps von Expert:innen 💡 Tool-Vergleich 💡 Checkliste für Ihren Erfolg

Wie gleichen Unternehmen es heute aus, dass operativ Beschäftigte nicht im Homeoffice arbeiten?

Insgesamt befinden wir uns noch ganz am Anfang der Reise. Viele Unternehmen erkennen erst allmählich, dass sich Einiges im Blue-Collar Bereich ändern muss, um die Attraktivität dieser Berufe im Vergleich zu vielen Homeoffice-Jobs zu verbessern. Der Druck, die Arbeitsrealität von Blue-Collar Beschäftigten zu verbessern, wird jedoch in den kommenden Jahren deutlich wachsen. Nicht zuletzt befeuern der Fachkräftemangel und der demographische Wandel die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt. Was wir in den kommenden Jahren sehen werden, ist ein neues Umdenken, um Aufstiegschancen, Training und Entwicklung und Flexibilität in den operativen Berufen zu ermöglichen. Wie eine aktuelle BCG-Studie festgestellt hat, sind es die weichen Faktoren, die Mitarbeitende im Blue-Collar Bereich halten, entgegen der Annahme, dass bessere Bezahlung, das Problem lösen könnte. Diese Realisierung wird auf kurz oder lang auch in den Managementebenen vieler Unternehmen Einzug halten.

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